Rund um Bacharach - Ein Blog von Friederike Schikora

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Kieselsteine

Kieselsteine

Endlich Frühling, die Sonne lacht, auf zum „Ketzerstrand“ in die wunderliche, kleine Anderwelt der Kieselsteine. Der Besuch lohnt sich! Allerdings lediglich bei Niedrigwasser, weil der krottenschmale Uferstreifen sonst im Rhein verschwindet. Doch wer das scheinbar gottverlassene Terrain betritt, vielleicht nur, um sich kurz die Füße zu vertreten, findet sich unverhofft in einer kleinen, stillen Welt wieder, die das Herz für den frommen Reiz der kleinen Dinge öffnet.

Ein schneeweißer Kiesel, der im Licht der Sonne glitzert, muss – das hat jeder schon einmal erlebt – unbedingt einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden. Man hebt es auf und lässt es andächtig in der Handfläche kreisen, das von der tonnenschweren Macht der Strömung kugelrund geschliffene, kullerkleine Steinerchen, bläst ein letztes Körnchen Treibsand weg, und schon fangen die Gedanken an zu fliegen.

Gepackt von einer Sehnsucht, die von ganz weit her rührt.

 

„kostbare“ Findlinge: schneeweiße Kieselsteine

 

Aus vergessener Zeit vielleicht, da alles auf der Welt noch soooooo viel anders war. So ungeheuer anders wie das Feuer machen ohne Streichhölzer. Damals vor ach so vielen Jahren im  Schulzeltlager am Volkenbacher Weiher. Mit staubtrocknem  Stroh, das urplötzlich zündelte, wenn man nur lange genug darunter zwei Kieselsteine heftig aneinander rieb. Gab das ein Lagerfeuer!

 

am „Ketzer“ mit Blick auf die Insel „Heylessen Werth“

 

Und wie die Augen aller glühten, die einträchtig um die Flammen kauerten. So voller Urvertrauen in die unschlagbare Festlichkeit des Augenblicks, wie man sie in all den Jahren später, als der Ernst des Lebens über sie herein brach, niemals wieder leuchten sah.

Die Zeit steht still am Ketzer-Strand,

wenn die Gedanken auf die Reise gehen, weit zurück in die Vergangenheit. Nur die Wellen rollen flüsterleise über Sand und Kieselsteine, im Schilfgras quakt die Ringelente, Möwen ziehen stolze Kreise, und mit der Geduld der Ewigkeit malt ein Flieger seine silberhelle Spur in den blauen Himmel über Fluss und Tal.

In Augenblicken solcher Rückbesinnung, auch das hat mancher schon einmal erlebt, zieht Dich die Magie der Kieselsteine tiefer noch in ihren Bann.

 

Kieselsteine, Muschelschalen und viel Handliches zum Flippern

 

Eine Leidenschaft bricht auf,

die in jedem von uns schlummert, und schon geht es mit gesenktem Kopf von passionierten Pilzesammlern weiter auf „Schatzsuche“ in einem Sammelsurium von Schneckenhäuschen, ausgebleichten Muschelschalen und einem Universum herrlich platter Schiefersteine, die zum „Flippern“ rufen bis der Arzt kommt.

 

bacharach letzte 029

in den Weidenkronen summt der Wind

 

Vom Wasser wummert das kellertiefe Moll der Schifffsmotoren, es riecht nach Schilfgras, Sauerampfer, Wellen, Wind und Heimat – und plötzlich spürst Du bis in den letzten Winkel Deiner Seele, wie ungeheuer tief in Deinem Herzen Du doch eins mit diesem Landstrich bist, auf dem Du Deinen ersten Lebensschrei getan hast.

Von irgendwoher weht eine kleine, feine Melodie herbei,

zart wie die Blütenflusel eines Löwenzahns, und Dich durchrieselt wieder dasselbe ungetrübte Glücksgefühl, das Dich bereits als kleines Kind gepackt hat, wenn Du auf der Suche nach dem geheimnisvollsten aller Steine an eben dieser Stelle  im Ufersand herum gestolpert bist.

 

Abenteuerspielplätze: Kühlberg, Schlossberg, Burg Stahleck

 

Es gab damals in Deinem unbedarften Kinderleben nur   d i e s e   e i n e   H e i m a t  und sonst nichts weiter. Keinen all-inclusiv-Urlaub auf den Malediven, die unfassbaren Osterinseln nicht und nicht den weltenfernen Stillen Ozean. Nur die allmächtige Burg Stahleck hoch über den Schieferdächern unserer Stadt, das sonnenhelle Strandbad, den immergrünen Kühlberg und die unschlagbare Zauberwelt der Kieselsteine am Ketzerstrand, wo Dein Pulsschlag im Einklang mit dem Wumm-wumm-wumm der Schiffe draußen auf dem Wasser schlug, als wären beide eins.

 

Paradies zum Schwimmen: der alte Burg-Weiher, von der Brücke aus gesehen. Früher ein kleiner See mit blitzsauberem Bergwasser, „Molleköpp“ und Fröschen, heute stark zugewachsen

 

Das war Deine kleine, große Welt. Sie hielt Dich fest in ihren Heimat-Armen und wärmte Dich mit einem wurzeltiefen Halt im Leben, den Du später woanders nie mehr wieder finden solltest.

 

auch das war Kindheits-Alltag: fit wie Tarzan über die Felsen klettern in der „Abseit“ bis hinauf zur Burg

 

Es muss nicht erst ein Mallocka-Urlaub im Regen untergehen …

Wie sonderbar, staunst Du, dass eine banale Spielerei mit Steinen, über die sonst nur der Wind bläst und die Möwen hüpfen, dass ausgerechnet eine Tändelei mit einer Handvoll praktisch Nichts die Welt der Kindheit wieder blitzlebendig macht. Und als sei`s gestern erst gewesen, steht ein Bild vor Dir: was immer Du getan hast während Deiner abenteuerlichen Stipvisiten bei den  Kieselsteinen, es geschah in vollkommener Hingabe an die Köstlichkeit des Augenblicks. Der Besuch dort heute holt ein Quäntchen Glück davon wieder zurück.

 

noch ein Kindheits-Spaß: Steine sammeln und Brücken bauen wo der Münzbach in den Rhein fließt

 

So ist das Leute, es muss nicht erst ein Mallorca-Urlaub im Regen unter gehen, damit sich der Mensch erinnert, wie tief im Herzen er immer noch ein Teil von  d i e s e r  Heimat ist.

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